Nach einem leckeren Frühstück im Downtown Hostel entschloss ich mich, nicht wie die anderen noch eine Tour durch Reykjavik zu machen, sondern ganz in Ruhe zu duschen - wer konnte schon wissen, wie die sanitären Anlagen in unserer nächsten Bleibe sein würden? Davon abgesehen waren meine Gedanken sowieso schon bei Grönland - wozu sich also Stress machen. So genoss ich also die letzten Momente der Ruhe und das warme, aus einer heißen Quelle stammende, leicht schweflig riechende Wasser auf meiner Haut.
Dann ging es los. Bereits der Stadtflughafen von Reykjavik war ein Erlebnis: Er ist sehr klein, sodass er jemandem, der bisher nur von Hauptstadtflughäfen gereist ist, geradezu skurril vorkommt: Das Gepäck kommt in dem selben Raum an, in dem man auf das Boarding wartet. Es gibt nicht genug Sitzgelegenheiten für alle Reisenden des Fliegers - ein Trick, um uns in den tankstellengroßen DutyFree-Shop zu locken? ;) Zu den vier Gates führt eine einzige Tür, durch die man dann zu seinem etwas über 30 Passagiere fassenden Flieger läuft. In der Luft servierte uns dann eine resolute Isländerin ein belegtes Croissant in einer mit romantisch-blauen Eisbergen bedruckten Pappschachtel und dazu Unmengen von Kaffee und Schwarzem Tee. Dies führte dazu, dass fast jeder auf dem 3,5-stündigen Flug in den Genuss (?) kam, die Bordtoilette aufzusuchen. Dort lauerte das nächste Abenteuer: Eine Falttür führte in eine extrem enge Zelle mit schlürfendem Vakuumklosett und - ohne Waschbecken! In einem kleinen Behälter an der Wand befanden sich dafür umso mehr Erfrischungstücher, die einem beim Öffnen desselben entgegenfielen.
Nach etwa der Hälfte der Zeit wurde es dann spannend: Wir erreichten Grönlands Küste und konnten bei klarer Sicht Berge und Inlandeis bewundern - da war er: unser erster Kontakt mit dem Eis! Es entstand ein großes Gewusel, als alle hin und her liefen, um den bestmöglichen Blick und das tollste Foto zu erhaschen. Nach einer Weile öffneten die Piloten sogar ihr Cockpit und jeder durfte einmal rausfotografieren - dabei entdeckten wir, dass unser Pilot sich bemühte mittels eines bunten Lehrbuchs Spanisch zu lernen, während der Autopilot das Flugzeug steuerte.
Nachdem wir einige Zeit die atemberaubende Aussicht bewundert hatten, setzten wir endlich zum Landeanflug an und erreichten Nuuk, die Hauptstadt Grönlands.
Der Nuuker Flughafen war sogar noch kleiner. Durch eine Art vergrößerte Katzenklappe wird das Gepäck, für den Fluggast kaum versteckt auf das Gepäckband gelegt. Angesichts des kurzen Weges vom Flugzeug zum Gepäckraum kamen wir auf den Gedanken, dass es uns kaum mehr Umstände gemacht hätte, unsere Koffer und Rucksäcke einfach selbst mitzubringen - ohne den Umweg über das Band. Nach dem Verlassen des Flughafengebäudes fanden wir uns dann mitten im Fjäll wieder - in dieser middle of nowhere stand auf einem kleinen Parkplatz ein Pfahl mit einem Busschild, um den wir uns bald aufstellten, um zu warten. Nach etwa einer halben Stunde kam dann ein Bus, auf dessen Dach sowohl die grönländische als auch die dänische Flagge flatterte. Wir stiegen ein und erreichten nach kurzer Fahrt die Hauptstadt, die eine Ansammlung kleiner bunter Holzhäuser,aber auch vieler Plattenbauten auf felsigen Hügeln ist. Wir trugen unser Gepäck zur örtlichen Turnhalle, in der wir die nächsten Tage wohnen sollten und begaben uns auf die Suche nach Jens, dem Hallenwart. Nach einem nervösen Anruf unsererseits kam er dann auch zur Halle - entspannt rauchend auf dem Fahrersitz eines gelben Baggers, von dem er noch schnell zwei prall gefüllte blaue Plastiksäcke ablud. Er zeigte uns unser Domizil: Ein abgeteiltes Viererzimmer, dass wir sofort den Schnarchern unter uns zuwiesen und einen großen Gemeinschaftsraum mit Küche an dessen Wänden sich 8 Doppelstockbetten befanden. Dazu ein kleines eigenes Badezimmer und die sanitären Anlagen der Turnhalle zur freien Benutzung. Die meisten unserer Gesprächspartner reagierten später mit größter Verwunderung, als sie erfuhren, dass der "hohe Besuch von der Humboldt-Universität" in der Sporthalle schlief.
Kaum hatten wir unsere Sachen abgelegt, ging es auch schon zum ersten Termin in der Hauptstadt: Wir trafen uns mit einer jungen Architektin, die uns durch die Stadt führte und von den zahlreichen Bauprojekten in Nuuk erzählte: Besonders natürlich von den Bauten aus den 50er Jahren - hässliche, heute teilweise sehr heruntergekommene Plattenbauten.Sie halfen damals, die Wohnraumprobleme zu bekämpfen, die entstanden als das Land endgültig industrialisiert wurde und ein großer Strom von Menschen zum arbeiten in die wenigen Städte zog, sind heute jedoch (teilweise) schimmlige Wohnsilos, die sich zu den sozialen Brennpunkten der Stadt entwickelt haben. Im größten dieser Zweckbauten, dem berüchtigten Block P wohnen 500 Menschen - hochgerechnet fast ein Prozent der Gesamtbevölkerung Grönlands! Schon auf dieser ersten Tour durch die Stadt fallen uns einige offensichtliche Alkoholiker auf - ein Problem, dass in Grönland sehr präsent ist und sowohl in der einheimischen als auch in der ausländischen Presse oft thematisiert wird.
Aber wir sehen auch etwas anderes: In der Bucht, um die die Altstadt gruppiert ist, liegen kleine Eisberge, die auch sofort fotografiert und befühlt werden.
Nach dieser tollen Erfahrung und einem schmackhaften Essen in einem kleinen Restaurant geht es weiter in die Stadthalle von Nuuk: Hier findet ein Konzert der "Julie Allstars" statt - ein grönländischer Chor, der bei einer dänischen Fernsehshow (etwa: Dänemark sucht den Superchor) gewonnen hat. Sie singen wunderbar und interpretieren sowohl aktuelle Popsongs als auch grönländische Lieder. Die Halle ist proppenvoll, die ganze Stadt scheint gekommen zu sein, um den Sieg zu feiern und die Musik zu genießen. Überall sind Kinder und schon rein optisch wird deutlich, wie heterogen die Bevölkerung Nuuks ist.
Nach dem Konzert beschließen einige von uns, nicht über die Straße zu "unserer" Turnhalle zu gehen, sondern einfach über den Berg zwischen den beiden Stadtteilen zu klettern - so wie die Einheimischen es auch tun - und werden mit einem tollen Ausblick über die Stadt belohnt, während aus den Bergen Nebel aufzieht.
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