Montag, 23. August 2010

Ilulissat

 Als wir das Schiff verlassen, kehren wir zurück in die Wirklichkeit. Wir werden schon erwartet: Am Hafen stehen der Betreiber der örtlichen Jugendherberge - ein Deutscher - und 2 Kleinbusse, die uns schnell in unser neues Zuhause fahren. Der erste Eindruck von Ilulissat ist gut: kleine Häuser an ein paar im Hochsommer staubigen Straßen, ein paar Touristenläden. Zwar hatten wir vom Schiff aus auch wieder einige der uns mittlerweile wohlbekannten großen Mehrfamilienhäuser gesehen, aber mit den Bussen kommen wir nicht daran vorbei. Auch die Jugendherberge macht einen tollen Eindruck: Wir haben Zweierzimmer. Was für ein Luxus!

Der Blick vom Hügel hinter der Jugendherberge.

Auch hier sind die Rohre überirdisch verlegt.
 
Schnell verteilen wir uns und unser Gepäck auf die uns zugewiesenen Räume und sind auch gleich wieder draußen. Denn bevor wir zu unserem ersten Programmpunkt in Ilulissat aufbrechen, fehlt mir und einigen anderen noch etwas sehr wichtiges: eine Sonnenbrille. Bereits auf dem Boot war uns schmerzlich bewusst geworden, wie sehr Eis bei gutem Wetter blendet. Wir machen also unsere ersten eigenen Schritte im Ort in Richtung Supermarkt. Aufgrund der blauen Farbe des Containergebäudes und dem großen "Pisiffik"-Schild haben wir keine Probleme, dorthin zu finden. Schwieriger wird dafür die Suche nach einer passenden Sonnenbrille: Die Auswahl ist nicht groß, dafür sind die Modelle allesamt riesig. Schließlich kaufe ich eine der Puck-die-Stubenfliege-Brillen: Ich kann nicht ohne Augenschutz zum Gletscher und wir sind uns während der Zeit auf Grönland alle so nah gekommen, dass das Aussehen sowieso keine Rolle spielt - ohne Brille(!) vom Jetlag gezeichnet gemeinsam am Frühstückstisch zu sitzen, hebelt solche optischen Bedenken einfach aus. Zudem bin ich ja auch nicht die einzige, die sich für das Abenteuer Monsterbrille entschieden hat. Als wir sicher bebrillt von unserem Einkauf zurückkehren, wird uns von den Zurückgebliebenen sogleich ein cooles Image verpasst: "Ihr seid ja jetzt ´ne richtige Gang!" Stimmt! ;)
Kaum sind wir wieder da, geht es auch schon los zum nächsten Programmpunkt: Wir treffen uns mit Elke Meissner. Sie ist die deutsche Honorarkonsulin in Grönland und betreibt ein Tourismusunternehmen in Ilulissat. Gemeinsam mit ihr machen wir uns zu einer Wanderung zum Eisfjord auf. Der erste Fotomoment lässt nicht lange auf sich warten: Auf einem sandigen Fußballplatz ist gerade ein energiegeladenes Spiel im Gange. Als im durch meine Sonnenbrille golden erscheinenden Licht der arktischen Sonne der Staub von den Füßen der Sportler aufgewirbelt wird und kurz in der Luft schwebt, fühle ich mich einen Moment lang entrückt - vielleicht bin ich doch im wilden Westen und gleich wird ein rollender Busch vorbeigeweht...?
Ein paar Meter weiter steht ein Schild, welches mich zu der Erkenntnis führt, dass ich gar nicht so falsch lag - schließlich ist hier im Winter eine mit Hundeschlitten befahrene Eiswüste. ;)

Fussball in Ilullissat
 
Vorsicht Hundeschlitten. ;)

Der nächste Grund, um in wahre Fotoorgien zu verfallen, ist nur ein paar Schritte entfernt: Unser Weg führt uns durch große Freiflächen, auf denen Schlittenhunde angekettet sind. Das tollste: uns wackeln sogleich ein paar niedliche Welpen entgegen. Alle sind begeistert und die Hündchen sind einem wahren Blitzlichtgewitter ausgeliefert. Sie scheinen sich zu freuen, dass endlich mal was los ist. Während ihre Mütter uns wachsam beäugen, liegen viele der erwachsenen Hunde wie tot herum. Temperaturen über 10°C sind ihnen einfach zu heiß. Elke erzählt uns, dass es in Ilulissat mehr Hunde als Menschen gibt: Das Verhältnis ist 5000 zu 4000 - und das in der drittgrößten Stadt Grönlands! Nach einer Weile trennen wir uns von den putzigen Kleinen, um unsere Tour fortzusetzen. Der frechste der Welpen, der uns nachlaufen möchte, wird kurzerhand am Schlawittchen gepackt und zu seiner Mutter und seinen Brüdern und Schwestern zurückgetragen. Sein Frust ist so groß, dass er sogleich eines seiner Geschwister umschubst.

Hier nochmal im Original.

Bitte lächeln!

Über den Ilulissat-Eisfjord drückt sich das Inlandeis ins Meer hinaus. Auch der Eisberg, den die Titanic rammte, kam von hier. Um den Fjord zu sehen, müssen wir jedoch zunächst auf einen Bergkamm klettern. Auch das ist schon ein Erlebnis für sich. Der schmale, durch bunt angesprühte Steine gekennzeichnete Weg führt uns vorbei an kleinen glitzernden Teichen und arktischer Vegetation. Wir alle sind erstaunt, als Elke uns erzählt, dass es sich bei einem Teil der Bodendecker um Polarbirken handelt. Diese "Bäume" werden hier allerdings kaum 10cm hoch - ein Grund, warum keiner von uns in Erwägung gezogen hatte, dieses Gewächs auch nur im entferntesten zu kennen. Doch nicht nur Birken, sondern auch einige Blumen wachsen hier im Fjäll - es ist gesprenkelt mit Ansammlungen kleiner weißer, rosaner oder gelber Blüten.

Ein Wegweiser.

Auf dem Weg zum Eisfjord.

Bald zeichnen sich hinter dem Bergkamm weiße Umrisse ab - der Eisfjord. Doch erst, als wir wirklich auf der höchsten Stelle des Bergrückens stehen, wird uns das volle Ausmaß dieses Naturschauspiels bewusst: Vor uns erstreckt sich ein riesiges, gleißend-helles Feld aus Eis. Niemand von uns hat je so etwas gesehen: Der Anblick gleicht eher einem Eisgebirge als einem Fjord. Das dicht an dicht auf dem Wasser treibende Eis ist zu Plateaus, Bergen und allen erdenklichen Formationen aufgetürmt. Angesicht dieser Pracht kommt es uns beinahe seltsam vor, dass wir noch heute morgen so begeistert von Eisbergen waren, die im Vergleich mit diesen Kolossen geradezu lächerlich gewirkt hätten. Alle machen unglaublich viele Fotos, nur um bereits auf dem Kameradisplay festzustellen, dass die Bilder niemals mit der Realität konkurrieren können. Der Anblick ist ebenso unbeschreib-, wie unfesthaltbar.

Blick auf den Ilulissat-Eisfjord.

Eis soweit das Auge reicht...

...und strahlend blauer Himmel.

Nach einer entsprechend langen Zeit auf dem Bergkamm treten wir langsam den Rückweg an. Einige von uns haben aber schon den Beschluss gefasst, am nächsten Tag zurück zu kommen. Elke hatte uns erzählt, dass man, wenn man zu einer der kleinen Buchten hinuntergeht, mit etwas Glück Robben beobachten kann - diese Gelegenheit wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen! Auf unserem Rückweg kommen wir auch noch ganz dicht an einer schönen Bucht vorbei. Ich und ein paar andere ergreifen die Gelegenheit und gehen mit den Füßen in den eiskalten Fjord. Da gefährliche Wellen entstehen können, wenn die Eisberge im Fjord umkippen, ist es eigentlich nicht erlaubt, sich zu nah am Ufer aufzuhalten. Schilder am Wegesrand warnen sogar vor der "Tsunamigefahr". Trotzdem können wir nicht widerstehen und patschen etwa 10min im flachen Wasser herum. Ich klettere sogar auf einen Felsen, der etwas weiter ins Wasser hineinreicht und mir einen neuen Blickwinkel auf den Fjord eröffnet.

Unsere Badebucht.

Auf dem Rückweg kommen wir an einer Stelle vorbei, an der die Pflanzendecke seltsam eingedrückt ist: Hier sind, auf mehreren Metern, die Abdrücke von Balken und Paletten in der Fjällvegetation zu sehen. Elke erklärt uns später, dass diese Stellen schon fast fünf Jahre alt sind. Im kargen Klima Grönlands dauert es sehr lange, bis die Pflanzen sich regenerieren. Im folgenden bewegen wir uns sehr vorsichtig durch das empfindliche Ökosystem Grönlands und versuchen auch bei unseren späteren Erkundungstouren möglichst wenig Pflanzen zu zertreten.

Je nach Jahreszeit nutzen die Bewohner Ilulissats...
...verschiedene Arten der Fortbewegung.

Zurück in Ilulissat erkunden wir noch kurz den Ort, bevor wir auf der Wiese hinter der Jugendherberge grillen.

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