Montag, 30. August 2010

26. Aug: Meine erste Prüfung

Pums skypt. ;)
Ich muss um 7 Uhr aufstehen, um rechtzeitig zum Schwedisch- Einstufungstest zu kommen. Da ich in der Nacht zuvor erst um zwölf zu Hause war, fällt mir das jedoch ziemlich schwer. Als ich aber erstmal in der Uni bin, verfliegt die Müdigkeit: Ich bin aufgeregt. Zwar habe ich eigentlich keinen Grund, mir Sorgen zu machen, aber ein Rest Nervosität bleibt. Wir werden im Hörsaal sorgfältig auf Lücke gesetzt, dann beginnt die Prüfung. Wir müssen weniger tun, als ich vermutet hatte: Die Aufgabe besteht lediglich darin, einen Text zu schreiben. Der gefürchtete Grammatikteil entfällt.
Nach der Prüfung kehrt die Müdigkeit zurück. Ich fahre schnell nach Hause, um einen kleinen Mittagsschlaf zu halten.

25. Aug: Orientation Day

Das Gebäude der Aula Magna.
Als mein Wecker um 8 Uhr klingelt, bin ich schnell wach. Heute geht es endlich los! Leider muss ich feststellen, dass das Bad besetzt ist. Bis mein Mitbewohner seine Duschorgie beendet hat, habe ich schon gefrühstückt und meine Tasche gepackt. Dann kann ich endlich ins Bad (Willkommen in der WG! ;)
Mit mir steigen noch sehr viele andere Leute an der Uni aus. Als ich dann für die Einführungsveranstaltung in der Aula Magna, dem Audimax sitze, habe ich den Eindruck, dass meine gesamte Bahn sich mit mir hier befindet. Ein komisches Gefühl, zumal ich sehr viel deutsch höre. Es ist aber eine ganz coole Veranstaltung: Die Redner fassen sich kurz und bemühen sich darum, uns zum lachen zu bringen. In der Pause gibt es kostenlose Sandwiches und viel Infomaterial zum Mitnehmen. Nach 3 Stunden ist alles gesagt und ich verlasse zufrieden, aber ziemlich müde den Campus. Zu Hause will ich mich ein Stündchen hinlegen, aber daraus wird nichts: Erst schreien die Nachbarskinder, dann ihre Eltern.
Die Tür zum Audimax
Abends geht es dann wieder los zur Willkommensparty an der Uni. Weil man uns auf der Einführungsveranstaltung um Pünktlichkeit gebeten hat, sind wir schon um 19 Uhr da. Ein Fehler, wie sich herausstellt, denn der Saal ist noch leer - bis auf uns Deutsche. Wir haben gerade unser eigenes Klischee bestätigt ;)
Kurz darauf kommt die groß angekündigte Band - eine kleine Blaskapelle(!). Unter den argwöhnischen Augen der wenigen Gäste beginnen sie zu spielen. Sie sind gute Musiker, jedoch ist diese Art von Musik nicht unbedingt geeignet, um eine Party in Gang zu bringen - auch wenn sie sogar ein Lied aus dem Dschungelbuch spielen ;) Trotzdem füllt sich so langsam der Raum und zu uns setzt sich eine Koreanerin. Wir kommen ins Quatschen -  der Abend scheint doch noch nett zu werden. Gegen neun Uhr verschwinden die Musiker und der Dancefloor wird geöffnet. Leider spielen sie jetzt Technomusik. Während unsere Tischgemeinschaft ausgiebig über die Musikauswahl an diesem Abend lästert, stößt ein Amerikaner zu unserer Gruppe. Wir verstehen uns gut und es wird ein Abend voller amüsanter Gespräche. Als wir dann alle gemeinsam gehen und unsere Taschen holen, ist die Stimmung ausgelassen. Es ist Zeit für schwarzen Humor. Zu unser aller Erstaunen lacht der Amerikaner sogar über Terrorwitze: Er kriegt sich gar nicht mehr ein bei dem Gedanken, seine Tasche in die Menge zu werfen. ;)
Nächtlicher Fotostop in Gamla Stan.
Auch hier: lauter fröhliche Menschen ;)

Freitag, 27. August 2010

24. Aug: Gamla Stan

Blick in eine Gasse in Gamla Stan.
Ich werde von meinem piepsenden Handy geweckt und stelle fest, dass es schon kurz vor zwölf ist. Ich war bis spät in der Nacht aufgeblieben und hatte am Computer gesessen. Als ich dann aber die Nachricht auf dem Handy lese, bin ich sofort hellwach. Es ist eine Bekannte, die ich bei der Wohnungssuche im Internet kennengelernt hatte. Sie ist jetzt auch in der Stadt angekommen und fragt, ob wir gemeinsam etwas machen wollen. Natürlich will ich!


Wir beschließen, zuerst die Universität zu erkunden. Vielleicht können wir ja schon unsere Studententickets bekommen. Eineinhalb Stunden später haben wir unser "Blind Date": Ich mit dem roten Rucksack treffe an der Metrostation "Universitetet" das Mädchen mit der gelben Jacke. Zwar bekomme ich Bedenken, als ich aussteige und die vierspurige Rolltreppe zum Ausgang sehe, aber mein Angst ist unbegründet. Wir finden uns problemlos und sind uns auch sofort sympathisch. Gemeinsam sehen wir uns dann die etwas unübersichtliche Uni an und sind froh, dass wir dadurch am nächsten Tag nicht mehr panisch das Audimax suchen müssen. Unser Studententicket zu bekommen, gelingt uns aber leider nicht: Wir werden von der Information ins Haus A geschickt und von dort nach Haus D. Als man uns dort sagt, wir sollten doch mal im Haus A fragen, wird es uns zu bunt: Wir holen uns einen Kaffee und planen den restlichen Tag.
Auch am Königsschloss wird Energie gespart.
Während wir uns auf dem Unigelände befinden, werden wir 2mal von anderen Deutschen angesprochen. Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir auch Schweden kennenlernen! Bei den Einführungsveranstaltungen am nächsten Tag erfahren wir dann, dass es 140(!) deutsche Austauschstudenten gibt - es wird nicht einfach, ihnen auszuweichen ;)


Nach dem Kaffee fahren wir  mit der T-bana zum Touristen-Hot-Spot der Stadt, nach Gamla Stan. Zum Glück ist Dienstag und so ist das Gewimmel in den engen Straßen der Altstadt noch erträglich. Wir lassen uns mit der Menge durch diesen romantischen Ort treiben. Wer einmal in Gamla Stan war, wird schnell einsehen, warum man diesen Teil Stockholms nicht verpassen sollte. Und wieder hingehen.




Blick auf die Stadt.
In der Västerlånggatan gibt es eine Eisdiele von Ben & Jerry´s. Mal abgesehen davon, dass ich diese Marke bisher nur aus Pappbechern gelöffelt habe und nun die Möglichkeit habe, eine Kugel Ben & Jerry´s zu essen, begeistert mich noch eine andere Sache: In dem Laden kann man live zuschauen - und vor allem riechen - wie die Eiswaffeln dort frisch selber gemacht werden. Keine Frage: Wir kaufen uns ein Eis. Die Kugeln sind groß und die Waffel schmeckt ebenso gut wie das Eis selbst. Während wir schleckend durch die mit Touristenläden vollgestopfte Straße schlendern, fällt mein Blick auf ein Bild in einem kleinen Kunstgeschäft. Ich verliebe mich sofort in die Schafe, die mich in warmen Farben gemalt aus dem Bild heraus ansehen. Als ich nachfrage, erfahre ich, dass es ein Original ist, gemalt vom Ehemann der sympathischen Dame, die hier im Laden steht. Obwohl sie mir 150kr des Preises erlassen möchte, kann ich mich noch nicht durchringen, gleich an meinem dritten Tag rund 40 Euro auszugeben. Wir sehen uns weiter Gamla Stan an, doch irgendwie kann ich "meine" Schafe nicht vergessen. Zwei Stunden später ist es soweit: ich stehe wieder im Kunstladen. Diesmal nicht bloß als Besucher, sondern auch als Kunde. Das Geld ist somit weg, die Schafe da, und ich bin glücklich.
 

Die Schafe in ihrem neuen Zuhause ;)
Als ich ziemlich müde nach Hause komme, wartet meine Mitbewohnerin schon auf mich. Wir hatten geplant, noch zu einem nahen See zu spazieren. Vielleicht kann man dort sogar baden. Kaum eine viertelstunde später sind wir unterwegs.Es stellt sich jedoch heraus, dass der Weg sehr schlecht ausgeschildert ist. Deshalb verlaufen wir uns ein wenig und sind bald auf wundersame Weise auf der falschen Seite des Sees. Die Mücken dort sind so aggressiv, dass wir kaum stehenbleiben können, um auf unsere Karte zu schauen. Der See ist sowieso voller Seerosen und mit einem dicken Schilfgürtel umgeben, sodass wir nach einer knappen Stunde Wegsuche beschließen, wieder nach Hause zu gehen.

Donnerstag, 26. August 2010

23.Aug: Die Rettung

"Mein" Haus.
An meinem ersten Wochentag in Schweden passiert nicht viel, denn die Uni hat für mich noch nicht begonnen. Ich mache mich ganz gemütlich fertig und lese ein wenig. Am Nachmittag mache ich mich auf den Weg nach Hagsätra. Dort, nur eine T-banastation von Rågsved entfernt, gibt es einen Computerladen. Der Mann aum Tresen ist sehr nett und verspricht mir, mein Problem schnell zu lösen. Ich gebe ihm meine Handynummer, kündige aber an, in jedem Fall noch vor Ladenschluss vorbeizuschauen.
Während ich warte, durchstreife ich mein Wohngebiet. Ich spaziere an einer kleinen Pizzeria vorbei und finde den örtlichen Lidl.
Süß ;)
Nach eineinhalb Stunden klingelt mein Telefon. Ich bin ebenso erstaunt wie begeistert, als der Computermann mir mitteilt, dass er mein Passwort herausgefunden hat und mich das ganze nur 100kr kostet. Mein Mitbewohn er hatte geschätzt, dass man mir mindestens 500kr abnehmen würde. Entsprechend froh stehe ich  10min später wieder im Computershop. Es stellt sich heraus, dass ich mich schon beim Einrichten des Passwortes vertippt hatte. Nun kann ich mich aber mit einem funktionstüchtigen Laptop im Gepäck nach Hause begeben. Dort angekommen hänge ich auch gleich mehrere Stunden vor dem Rechner und hole alles versäumte nach. Endlich bin ich nicht mehr abgeschlossen von der Außenwelt! ;)

Dienstag, 24. August 2010

22.August: Stadt - Wildnis - Stadtwildnis?

Der Chinesische Pavillion.
Blick auf den Brunnsviken.
Wider Erwarten schaffen wir es wie geplant um 10 Uhr loszugehen. Nach einer dreiviertelstunde Fahrt und einer längeren Diskussion über den richtigen Ausstiegsort beginnen wir am Südende des Hagaparks unseren Spaziergang. Die erste Station ist ein kleiner Steg von dem aus man zu einem ebenso kleinen Hafen hinübersehen kann.

Wir gehen weiter den Hauptweg entlang auf dem sich auch viele Mütter mit Kindern und Jogger befinden. Unser nächster Halt ist der Chinesische Pavillion auf einem kleinen Hügel mit Blick über den See Brunnsviken. Es ist warm und sonnig und auf dieser Seite des Gewässers sind wir auch vor dem kühlen Wind geschützt.

Eines der Koppartälten.
Wir laufen weiter und vergessen bald völlig, dass wir uns in einer Großstadt befinden. Auf unserem Weg kommen war an einigen Bauten aus den Zeiten Gustavs III vorbei, unter anderem am Ekopark und den Koppartälten.
Als wir an einer großen Wiese vorbeischlendern, sehen wir daurauf unglaublich viele Wildgänse sitzen. Und das mitten in Stockholm!

Kurz darauf beschließen wir, das Geld für das Schmetterlingshaus zu sparen und stattdessen den Brunnsviken komplett zu umrunden. 12km die sich wirklich lohnen. Auf der Hälfte der Strecke verlässt uns unser Mitbewohner. Er ist müde, weil er in der Nacht gearbeitet hat. Wir Mädels ziehen unbeirrt allein weiter und kommen in ein kleines Waldstück. Nun vergessen wir auch, dass wir uns in einem Park befinden. Auf unserem Weg fallen uns etliche tolle Badestellen auf und wir ärgern uns, dass wir unsere Badesachen nicht mitgenommen haben. Das Baden ist übrigens an den meisten Gewässern Stockholms offiziell erlaubt.
Der Beweis: Ich war da. ;)
Stadt???!
Nach einer kleinen Rast auf ein paar Ufersteinen (Es gibt Brötchen und leider ziemlich fade Cracker) setzen wir unseren Seerundgang fort. Die Wanderung führt uns bald in einen botanischen Garten, den "Bergianska trädgården". In ihm befindet sich auch das Restaurant "Gamla Orangeriet" in dem wir einen Milchkaffee trinken und ein köstliches Stück Kuchen verspeisen. Plaudernd schlendern wir weiter und gelangen bald an den kleinen Hafen, den wir von unserem Ausgangaspunkt aus gesehen hatten. Nach knapp vier Stunden sind wir wieder dort und fahren müde, aber schön entspannt nach Hause.

Dort angekommen beschließe ich ganz in Ruhe die Zeitung zu lesen, die ich mir aus dem Flugzeug mitgenommen habe. In Schweden sind bald Wahlen und die DN (Dagens Nyheter) berichtet von einem skurrilen Ereignis: In Anlehnung an die deutsche Krake Paul hat man hier eine Krake das Wahlergebnis voraussagen lassen. Melvin entschied sich für den Zusammenschluss der bürgerlichen Parteien in Schweden. Offenbar werde ich vom Wahnsinn verfolgt. ;)

Sammlung der Indizien.
"Sämtliche Zeiten sind ungefähr" - na toll! ;)

21. August: Aufbruch

Noch in Berlin.

Wir warten auf den Ablug.
 
Als ich in Berlin losfliege, ist schönes Wetter. Pums und ich können Norddeutschland und Bornholm von oben betrachten. Außerdem können wir anhand der Kondensstreifen sehen, wo andere Flugzeuge kurz vorher die Luft durchschnitten haben. 






Schweden begrüßt uns.
Und wir begrüßen Schweden.

Kaum das wir uns über Schweden befinden, wird der Himmel immer wolkiger, bis wir schließlich nicht mehr bis auf den Boden schauen können. Erst beim Landeanflug sehen wir wieder die Landschaft unter uns.







Nachdem ich meinen Koffer abgeholt habe, mache ich mich auf dem erstaunlich übersichtlichen Flughafen zum Ticketschalter der Verkehrsbetriebe auf. An dem geräumigen Stand muss man an einem Automaten einen Zettel mit einer Nummer drauf ziehen und warten, bis die Zahl auf diesem "nummerlapp" aufgerufen wird. Ich bin die einzige Person, die zum Schalter will. Trotzdem entschließe ich mich nach kurzem Nachdenken einen Zettel zu ziehen. Meine Schwedischlehrerin Ida wäre stolz. ;) Sofort ändert sich die Anzeigetafel und - oh Wunder - ich bin dran.

Ceci n´est pas un aéroport. ;)
Als ich dann ein Ticket für den Flughafenbus und mein 8er-Ticket für den Stadtverkehr habe, gehe ich zum Flugbus und die Reise von Arlanda nach Stockholm beginnt. Während wir fahren, fängt es stark an zu regnen. Ein toller Empfang! ;) Der Bus setzt uns am Hauptumschlagplatz Stockholms, der T-Centralen ab. Ich betrete die Bahnhofshalle und bin habe sogleich ein Déja-vu: Der Bahnhof ist unglaublich groß und organisiert wie ein Flughafen. Schließlich finde ich im Gedränge aber doch den Weg zur richtigen Metrolinie.


Die Fahrt mit der T-bana dauert 21Minuten, dann steige ich in Rågsved aus und begebe mich zu meinem neuen zu Hause. Auf halbem Wege beginnt es jedoch zu schütten und ich schleppe meinen Koffer fix in ein Telefonhäuschen. Nach ein paar Minuten in diesem "Versteck" hört es zum Glück auf zu regnen, und ich kann weitergehen. Schließlich erreiche ich dann doch noch halbwegs trocken die Wohnung.
Meine Mitbewohner Carina und Raja sind außerordentlich nett. An diesem Abend sitzen wir noch ein wenig zusammen und lernen uns kennen. Weil meine Mitbewohnerin auch erst vor zwei Wochen aus Deutschland hierher gekommen ist und - genau wie ich - die Stadt erkunden will, beschließen wir, am nächsten Tag zu dritt den Hagapark zu besuchen.

^ mein Platz                    Unser neues Zuhause.                  ^ Pums Platz

Nur ein Problem trübt meinen ersten Abend: Ich habe das Passwort für meinen Laptop vergessen und kann ihn vorerst nicht benutzen. Unglaublich ärgerlich!

Montag, 23. August 2010

STOCKHOLM !!!

Nun ist es endlich so weit: Mein nächstes großes Abenteuer hat begonnen: Ein Semester in Stockholm. In dieser Zeit werde ich aber nicht nur studieren, sondern auch die Stadt, die sich stolz "Hauptstadt Skandinaviens" nennt, erkunden und darüber berichten. Ich freu mich!

Heimreise

kommt noch

Kutter und Robben

Der nächste Tag beginnt sehr entspannt: Wir schlafen etwas länger, denn unser nächster offizieller Programmpunkt ist erst am Abend. Nach dem Frühstück machen meine Kommilitonin und ich uns nach einer kurzen Runde durch den Ort auf ins Fjäll. Dort hatte uns Elke gestern von einem Bergrücken aus eine Bucht gezeigt, in der man mit etwas Glück Robben beobachten kann. Wir packen also unsere Sachen - nicht zu vergessen die Monstersonnenbrille - und beginnen unsere Wanderung. Da bei meiner Kamera gerade der Akku alle ist, ist meine Kommilitonin erstmal allein für die Fotos verantwortlich. Wieder kommen wir an den Schlittenhunden vorbei, die träge in der Sonne vor sich hin dösen. Auch das Wetter ist wieder so schön wie gestern und uns wird beim Wandern schnell so warm, dass wir unsere Jacken ausziehen und die Pulloverärmel hochkrempeln. Spätestens, als wir hoch genug gekommen sind, um hinter dem Bergrücken die blauschimmernde Weite des Eisfjords zu sehen, ist es auch Zeit für die Sonnenbrillen.

Abstieg zum Eisfjord

Vorsichtig klettern wir zu der Bucht hinab, immer darauf achtend, nicht unnötig viele Pflanzen zu zertreten. Das Ufer gleicht eher einem kleinen Steinplateau und wir suchen uns ein bequemes Plätzchen, um die Wasseroberfläche, auf der unzählige kleinere Eisberge schwimmen, zu beobachten. Nun fehlt nur noch die Robbe. Wir sitzen so geschützt auf den von der Sonne erwärmten Steinen, dass ich bald sogar meinen Pulli ausziehe. Dass ich mal im T-Shirt (!) in Grönland sitzen und auf einen von Eisbergen bedeckten Fjord schauen würde, hätte ich bis jetzt nicht für möglich gehalten.

Einfach mal die Seele baumeln lassen.
Sommer in Grönland.
 
Nachdem wir einige Zeit ganz gemütlich an der Bucht gesessen und die Szenerie genossen haben,  gesellen sich auch andere Exkursionsteilnehmer zu uns. Sie hatten die selbe Idee. Nun ist es zwar mit der einsamen Idylle erstmal vorbei, aber  wir haben trotzdem sehr viel Spaß zusammen: Einer von uns ist sogar so mutig, dass er sich seinen von der Sonne erwärmten Oberkörper mit einem Eisbrocken abreibt - laut ihm besser als Sauna.

Steinhaufen einmal anders.

Nach einer Weile beschließen meine Kommilitonin und ich, noch ein wenig auf eigene Faust das Gelände zu erkunden: Wir kraxeln auf den Felsen von Bucht zu Bucht und finden hinter jeder Ecke einen noch schöneren Blick. Da macht es auch nichts, dass unser Spähen nach Robben weiterhin vergeblich bleibt.


Lichtreflexe
Farbspiel des Eises.

Schließlich stellen wir bei einem Blick auf die Uhr fest, dass wir nun langsam den Rückweg antreten müssen, um nicht zu spät zu kommen. Wir steigen nun den Bergkamm hinauf, um wieder auf einen offiziellen Weg zu gelangen. Endlich dort angekommen, stellen wir fest, dass wir mittlerweile recht weit entfernt von den Orten sind, die wir gestern und heute morgen schon erwandert haben. Trotzdem schlendern wir munter durch die unglaublich schöne Landschaft und sind überglücklich, hier zu sein. Doch bald ist es mit der Ruhe vorbei: ein den Pfad markierender Stein ist statt der erwarteten roten Farbe pink angesprüht. Sollten wir auf dem falschen Weg sein? Wir beschließen, dem Weg noch auf den nächsten Höhenrücken zu folgen, denn da wo wir jetzt sind, sehen wir außer dem Eisfjord keine Fixpunkte, an denen man sich orientieren könnte. Auf der Anhöhe angekommen, sind wir leider immer noch nicht schlauer. Erst als wir kurz vom Weg abweichen und noch ein Stück höher hinauf steigen, erspähen wir einen roten Wegstein - die verschiedenen Routen kreuzen sich offenbar bald. Wir sind erleichtert. Endlich wieder auf "unserem" Weg angekommen, sehen wir nach einer weiteren Bergkuppe schon bald Illulissat.
Nun wieder in ungetrübt guter Laune wandern wir talwärts und kommen bald zu der Wiese mit den Schlittenhunden. Hier wartet schon die nächste Hürde auf uns: Mitten auf dem Weg steht ein nicht angeleinter halbstarker Hund. Er sieht ein wenig zerzaust aus und knurrt. Wir beide haben mächtigen Respekt vor dem Tier - was wenn es uns angreift? Wir beschließen, nicht stehenzubleiben und selbstbewusst in einem Bogen um ihn herumzugehen. Ich bemühe mich, den Hund nicht anzustarren und zu ignorieren. Als er dann auch noch langsam hinter uns hertrottet, gerate ich wirklich ins Schwitzen. Zum Glück sind es nur ein paar Meter, dann gibt er die "Verfolgung" auf und wir beruhigen uns wieder. Zurück in der Jugendherberge erfahren wir, dass auch noch andere der Gruppe herumstreunende Hunde getroffen haben. Vermutlich war keine der Begegnungen wirklich gefährlich, aber doch löst es bei vielen von uns, die wir größtenteils nur vierbeinige Freunde an der Leine gewohnt sind, eine gewisse Unsicherheit aus, nun halbwilden Arbeitstieren gleichberechtigt gegenüber zu stehen.


Unser Schwesterschiff sieht zwischen den Eisbergen ganz klein aus.
Natur und Technik.

Nach dem Abendbrot geht es wieder los: Ich ziehe mich extradick an, denn nun geht es mit einem Kutter in den Eisfjord hinein. Diesmal bin ich auch wieder mit meiner eigenen Kamera bewaffnet. Bei der Mitternachtsfahrt, so hat Elke Meissner uns versprochen, werden wir bestimmt auch Wale sehen. Dick eingemummelt fahren wir mit zwei Booten los. Das Wetter ist weiterhin gut und  obwohl wir erst halb zehn ablegen, ist es die gesamte Fahrt über taghell. Trotz ruhiger See dauert es eine Weile, bis wir zum Eingang des Fjordes kommen. Es ist faszinierend, den Eisbergen nun so nah zu sein und wir alle sind wie hypnotisiert von der Schönheit der Arktis.

Auch deshalb sollte man nicht zu dicht an den Eisbergen vorbei fahren.
Dieser sieht ein bisschen aus wie ein Softeis. ;)

Bald hält das Boot und die Mannschaft fischt einen der ganz kleinen Eisberge aus dem klaren Wasser, nur um ihn dann in kleine Stücke zu schlagen. Schon bald wissen wir warum: Elke lädt uns alle zu einem Wiskey on the rocks ein. Ich bin fasziniert von den kleinen Blasen, die das Eis in meinem Glas absondert - Elke erklärt uns, dass das von den Lufteinschlüssen im Eis kommt und das wir in unserem Drink gerade uraltes Inlandeis haben. Weiter berichtet sie, dass das Eis so sauber ist, dass viele der Bewohner rund um den Fjord ihr Trinkwasser genau so bekommen wie wir gerade: Sie fischen kleine Eisberge aus dem Meer und schmelzen sie, wenn sie sauberes Wasser brauchen. Auch unsere Eiswürfel sind glasklar. Obwohl ich eigentlich kein besonderer Wiskeyfan bin, nippe ich nach und nach mein Glas leer und freue mich sehr über mein exklusives Getränk.

Prost! oder, wie man hier sagt: Kasugta!
Mit einer solchen Aussicht schmeckt es gleich nochmal so gut.
 
Wir fahren nun weiter in den Fjord hinein und nach einer Weile geht ein Raunen durch das Boot: Vor uns sind Buckelwale! Ich bin ganz aufgeregt und setze mich, zusammen mit den meisten anderen, vorne auf den Bug des Schiffes, um besser sehen zu können. Und wirklich: Insgesamt sind es drei Tiere. Eines von Ihnen ist noch nicht ausgewachsen. Wir alle sind ergriffen von dem einmaligen Anblick und beobachten, wie die Wale im klaren Wasser vor uns dahin gleiten. Wir fahren langsam hinter ihnen her und bald schwimmt das kleinste Tier dicht unter unserem Boot entlang. So kann ich es in seiner ganzen Länge bestaunen. Überwältigend!
Als die Tiere weg schwimmen, folgen wir ihnen weiter. Mittlerweile sind schon drei Boote hinter ihnen her. Auch wenn ich selbst die Situation genieße und den Walen gerne noch länger zusehen würde, komme ich nicht umhin, mich zu fragen, ob der Tourismus nicht einen großen Stressfaktor für die Buckelwale in dieser Region darstellt. Trotz aller Freude bin ich deshalb ein bisschen froh, als wir abdrehen und die Tiere wieder in Ruhe lassen.

Erwischt! :)

Auf der Rückfahrt sind wir alle noch ganz beeindruckt von dem Gesehenen. Aufgeregt plappern wir über unser tolles Erlebnis und spähen auf den Fjord, damit uns etwaige weitere Wale oder Robben nicht entgehen. Als wir uns ein wenig beruhigt haben, beginnt einer aus der Gruppe, wieder kleine Stückchen aus unserem kleinen Eisberg an Bord zu schlagen. Er mixt Mojitos. Dafür hat er extra in Nuuk einen Topf Minze gekauft - zu einem horrenden Preis. Aber das war es definitiv wert: Nie hat ein Cocktail so gut geschmeckt wie hier in dieser wunderbaren Umgebung nach all den tollen Erlebnissen dieses Tages.

Ilulissat

 Als wir das Schiff verlassen, kehren wir zurück in die Wirklichkeit. Wir werden schon erwartet: Am Hafen stehen der Betreiber der örtlichen Jugendherberge - ein Deutscher - und 2 Kleinbusse, die uns schnell in unser neues Zuhause fahren. Der erste Eindruck von Ilulissat ist gut: kleine Häuser an ein paar im Hochsommer staubigen Straßen, ein paar Touristenläden. Zwar hatten wir vom Schiff aus auch wieder einige der uns mittlerweile wohlbekannten großen Mehrfamilienhäuser gesehen, aber mit den Bussen kommen wir nicht daran vorbei. Auch die Jugendherberge macht einen tollen Eindruck: Wir haben Zweierzimmer. Was für ein Luxus!

Der Blick vom Hügel hinter der Jugendherberge.

Auch hier sind die Rohre überirdisch verlegt.
 
Schnell verteilen wir uns und unser Gepäck auf die uns zugewiesenen Räume und sind auch gleich wieder draußen. Denn bevor wir zu unserem ersten Programmpunkt in Ilulissat aufbrechen, fehlt mir und einigen anderen noch etwas sehr wichtiges: eine Sonnenbrille. Bereits auf dem Boot war uns schmerzlich bewusst geworden, wie sehr Eis bei gutem Wetter blendet. Wir machen also unsere ersten eigenen Schritte im Ort in Richtung Supermarkt. Aufgrund der blauen Farbe des Containergebäudes und dem großen "Pisiffik"-Schild haben wir keine Probleme, dorthin zu finden. Schwieriger wird dafür die Suche nach einer passenden Sonnenbrille: Die Auswahl ist nicht groß, dafür sind die Modelle allesamt riesig. Schließlich kaufe ich eine der Puck-die-Stubenfliege-Brillen: Ich kann nicht ohne Augenschutz zum Gletscher und wir sind uns während der Zeit auf Grönland alle so nah gekommen, dass das Aussehen sowieso keine Rolle spielt - ohne Brille(!) vom Jetlag gezeichnet gemeinsam am Frühstückstisch zu sitzen, hebelt solche optischen Bedenken einfach aus. Zudem bin ich ja auch nicht die einzige, die sich für das Abenteuer Monsterbrille entschieden hat. Als wir sicher bebrillt von unserem Einkauf zurückkehren, wird uns von den Zurückgebliebenen sogleich ein cooles Image verpasst: "Ihr seid ja jetzt ´ne richtige Gang!" Stimmt! ;)
Kaum sind wir wieder da, geht es auch schon los zum nächsten Programmpunkt: Wir treffen uns mit Elke Meissner. Sie ist die deutsche Honorarkonsulin in Grönland und betreibt ein Tourismusunternehmen in Ilulissat. Gemeinsam mit ihr machen wir uns zu einer Wanderung zum Eisfjord auf. Der erste Fotomoment lässt nicht lange auf sich warten: Auf einem sandigen Fußballplatz ist gerade ein energiegeladenes Spiel im Gange. Als im durch meine Sonnenbrille golden erscheinenden Licht der arktischen Sonne der Staub von den Füßen der Sportler aufgewirbelt wird und kurz in der Luft schwebt, fühle ich mich einen Moment lang entrückt - vielleicht bin ich doch im wilden Westen und gleich wird ein rollender Busch vorbeigeweht...?
Ein paar Meter weiter steht ein Schild, welches mich zu der Erkenntnis führt, dass ich gar nicht so falsch lag - schließlich ist hier im Winter eine mit Hundeschlitten befahrene Eiswüste. ;)

Fussball in Ilullissat
 
Vorsicht Hundeschlitten. ;)

Der nächste Grund, um in wahre Fotoorgien zu verfallen, ist nur ein paar Schritte entfernt: Unser Weg führt uns durch große Freiflächen, auf denen Schlittenhunde angekettet sind. Das tollste: uns wackeln sogleich ein paar niedliche Welpen entgegen. Alle sind begeistert und die Hündchen sind einem wahren Blitzlichtgewitter ausgeliefert. Sie scheinen sich zu freuen, dass endlich mal was los ist. Während ihre Mütter uns wachsam beäugen, liegen viele der erwachsenen Hunde wie tot herum. Temperaturen über 10°C sind ihnen einfach zu heiß. Elke erzählt uns, dass es in Ilulissat mehr Hunde als Menschen gibt: Das Verhältnis ist 5000 zu 4000 - und das in der drittgrößten Stadt Grönlands! Nach einer Weile trennen wir uns von den putzigen Kleinen, um unsere Tour fortzusetzen. Der frechste der Welpen, der uns nachlaufen möchte, wird kurzerhand am Schlawittchen gepackt und zu seiner Mutter und seinen Brüdern und Schwestern zurückgetragen. Sein Frust ist so groß, dass er sogleich eines seiner Geschwister umschubst.

Hier nochmal im Original.

Bitte lächeln!

Über den Ilulissat-Eisfjord drückt sich das Inlandeis ins Meer hinaus. Auch der Eisberg, den die Titanic rammte, kam von hier. Um den Fjord zu sehen, müssen wir jedoch zunächst auf einen Bergkamm klettern. Auch das ist schon ein Erlebnis für sich. Der schmale, durch bunt angesprühte Steine gekennzeichnete Weg führt uns vorbei an kleinen glitzernden Teichen und arktischer Vegetation. Wir alle sind erstaunt, als Elke uns erzählt, dass es sich bei einem Teil der Bodendecker um Polarbirken handelt. Diese "Bäume" werden hier allerdings kaum 10cm hoch - ein Grund, warum keiner von uns in Erwägung gezogen hatte, dieses Gewächs auch nur im entferntesten zu kennen. Doch nicht nur Birken, sondern auch einige Blumen wachsen hier im Fjäll - es ist gesprenkelt mit Ansammlungen kleiner weißer, rosaner oder gelber Blüten.

Ein Wegweiser.

Auf dem Weg zum Eisfjord.

Bald zeichnen sich hinter dem Bergkamm weiße Umrisse ab - der Eisfjord. Doch erst, als wir wirklich auf der höchsten Stelle des Bergrückens stehen, wird uns das volle Ausmaß dieses Naturschauspiels bewusst: Vor uns erstreckt sich ein riesiges, gleißend-helles Feld aus Eis. Niemand von uns hat je so etwas gesehen: Der Anblick gleicht eher einem Eisgebirge als einem Fjord. Das dicht an dicht auf dem Wasser treibende Eis ist zu Plateaus, Bergen und allen erdenklichen Formationen aufgetürmt. Angesicht dieser Pracht kommt es uns beinahe seltsam vor, dass wir noch heute morgen so begeistert von Eisbergen waren, die im Vergleich mit diesen Kolossen geradezu lächerlich gewirkt hätten. Alle machen unglaublich viele Fotos, nur um bereits auf dem Kameradisplay festzustellen, dass die Bilder niemals mit der Realität konkurrieren können. Der Anblick ist ebenso unbeschreib-, wie unfesthaltbar.

Blick auf den Ilulissat-Eisfjord.

Eis soweit das Auge reicht...

...und strahlend blauer Himmel.

Nach einer entsprechend langen Zeit auf dem Bergkamm treten wir langsam den Rückweg an. Einige von uns haben aber schon den Beschluss gefasst, am nächsten Tag zurück zu kommen. Elke hatte uns erzählt, dass man, wenn man zu einer der kleinen Buchten hinuntergeht, mit etwas Glück Robben beobachten kann - diese Gelegenheit wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen! Auf unserem Rückweg kommen wir auch noch ganz dicht an einer schönen Bucht vorbei. Ich und ein paar andere ergreifen die Gelegenheit und gehen mit den Füßen in den eiskalten Fjord. Da gefährliche Wellen entstehen können, wenn die Eisberge im Fjord umkippen, ist es eigentlich nicht erlaubt, sich zu nah am Ufer aufzuhalten. Schilder am Wegesrand warnen sogar vor der "Tsunamigefahr". Trotzdem können wir nicht widerstehen und patschen etwa 10min im flachen Wasser herum. Ich klettere sogar auf einen Felsen, der etwas weiter ins Wasser hineinreicht und mir einen neuen Blickwinkel auf den Fjord eröffnet.

Unsere Badebucht.

Auf dem Rückweg kommen wir an einer Stelle vorbei, an der die Pflanzendecke seltsam eingedrückt ist: Hier sind, auf mehreren Metern, die Abdrücke von Balken und Paletten in der Fjällvegetation zu sehen. Elke erklärt uns später, dass diese Stellen schon fast fünf Jahre alt sind. Im kargen Klima Grönlands dauert es sehr lange, bis die Pflanzen sich regenerieren. Im folgenden bewegen wir uns sehr vorsichtig durch das empfindliche Ökosystem Grönlands und versuchen auch bei unseren späteren Erkundungstouren möglichst wenig Pflanzen zu zertreten.

Je nach Jahreszeit nutzen die Bewohner Ilulissats...
...verschiedene Arten der Fortbewegung.

Zurück in Ilulissat erkunden wir noch kurz den Ort, bevor wir auf der Wiese hinter der Jugendherberge grillen.