Der nächste Tag beginnt sehr entspannt: Wir schlafen etwas länger, denn unser nächster offizieller Programmpunkt ist erst am Abend. Nach dem Frühstück machen meine Kommilitonin und ich uns nach einer kurzen Runde durch den Ort auf ins Fjäll. Dort hatte uns Elke gestern von einem Bergrücken aus eine Bucht gezeigt, in der man mit etwas Glück Robben beobachten kann. Wir packen also unsere Sachen - nicht zu vergessen die Monstersonnenbrille - und beginnen unsere Wanderung. Da bei meiner Kamera gerade der Akku alle ist, ist meine Kommilitonin erstmal allein für die Fotos verantwortlich. Wieder kommen wir an den Schlittenhunden vorbei, die träge in der Sonne vor sich hin dösen. Auch das Wetter ist wieder so schön wie gestern und uns wird beim Wandern schnell so warm, dass wir unsere Jacken ausziehen und die Pulloverärmel hochkrempeln. Spätestens, als wir hoch genug gekommen sind, um hinter dem Bergrücken die blauschimmernde Weite des Eisfjords zu sehen, ist es auch Zeit für die Sonnenbrillen.
|
Abstieg zum Eisfjord |
Vorsichtig klettern wir zu der Bucht hinab, immer darauf achtend, nicht unnötig viele Pflanzen zu zertreten. Das Ufer gleicht eher einem kleinen Steinplateau und wir suchen uns ein bequemes Plätzchen, um die Wasseroberfläche, auf der unzählige kleinere Eisberge schwimmen, zu beobachten. Nun fehlt nur noch die Robbe. Wir sitzen so geschützt auf den von der Sonne erwärmten Steinen, dass ich bald sogar meinen Pulli ausziehe. Dass ich mal im T-Shirt (!) in Grönland sitzen und auf einen von Eisbergen bedeckten Fjord schauen würde, hätte ich bis jetzt nicht für möglich gehalten.
|
Einfach mal die Seele baumeln lassen. |
|
Sommer in Grönland. |
Nachdem wir einige Zeit ganz gemütlich an der Bucht gesessen und die Szenerie genossen haben, gesellen sich auch andere Exkursionsteilnehmer zu uns. Sie hatten die selbe Idee. Nun ist es zwar mit der einsamen Idylle erstmal vorbei, aber wir haben trotzdem sehr viel Spaß zusammen: Einer von uns ist sogar so mutig, dass er sich seinen von der Sonne erwärmten Oberkörper mit einem Eisbrocken abreibt - laut ihm besser als Sauna.
|
Steinhaufen einmal anders. |
Nach einer Weile beschließen meine Kommilitonin und ich, noch ein wenig auf eigene Faust das Gelände zu erkunden: Wir kraxeln auf den Felsen von Bucht zu Bucht und finden hinter jeder Ecke einen noch schöneren Blick. Da macht es auch nichts, dass unser Spähen nach Robben weiterhin vergeblich bleibt.
|
Lichtreflexe |
|
Farbspiel des Eises. |
Schließlich stellen wir bei einem Blick auf die Uhr fest, dass wir nun langsam den Rückweg antreten müssen, um nicht zu spät zu kommen. Wir steigen nun den Bergkamm hinauf, um wieder auf einen offiziellen Weg zu gelangen. Endlich dort angekommen, stellen wir fest, dass wir mittlerweile recht weit entfernt von den Orten sind, die wir gestern und heute morgen schon erwandert haben. Trotzdem schlendern wir munter durch die unglaublich schöne Landschaft und sind überglücklich, hier zu sein. Doch bald ist es mit der Ruhe vorbei: ein den Pfad markierender Stein ist statt der erwarteten roten Farbe pink angesprüht. Sollten wir auf dem falschen Weg sein? Wir beschließen, dem Weg noch auf den nächsten Höhenrücken zu folgen, denn da wo wir jetzt sind, sehen wir außer dem Eisfjord keine Fixpunkte, an denen man sich orientieren könnte. Auf der Anhöhe angekommen, sind wir leider immer noch nicht schlauer. Erst als wir kurz vom Weg abweichen und noch ein Stück höher hinauf steigen, erspähen wir einen roten Wegstein - die verschiedenen Routen kreuzen sich offenbar bald. Wir sind erleichtert. Endlich wieder auf "unserem" Weg angekommen, sehen wir nach einer weiteren Bergkuppe schon bald Illulissat.
Nun wieder in ungetrübt guter Laune wandern wir talwärts und kommen bald zu der Wiese mit den Schlittenhunden. Hier wartet schon die nächste Hürde auf uns: Mitten auf dem Weg steht ein nicht angeleinter halbstarker Hund. Er sieht ein wenig zerzaust aus und knurrt. Wir beide haben mächtigen Respekt vor dem Tier - was wenn es uns angreift? Wir beschließen, nicht stehenzubleiben und selbstbewusst in einem Bogen um ihn herumzugehen. Ich bemühe mich, den Hund nicht anzustarren und zu ignorieren. Als er dann auch noch langsam hinter uns hertrottet, gerate ich wirklich ins Schwitzen. Zum Glück sind es nur ein paar Meter, dann gibt er die "Verfolgung" auf und wir beruhigen uns wieder. Zurück in der Jugendherberge erfahren wir, dass auch noch andere der Gruppe herumstreunende Hunde getroffen haben. Vermutlich war keine der Begegnungen wirklich gefährlich, aber doch löst es bei vielen von uns, die wir größtenteils nur vierbeinige Freunde an der Leine gewohnt sind, eine gewisse Unsicherheit aus, nun halbwilden Arbeitstieren gleichberechtigt gegenüber zu stehen.
|
Unser Schwesterschiff sieht zwischen den Eisbergen ganz klein aus. |
|
Natur und Technik. |
Nach dem Abendbrot geht es wieder los: Ich ziehe mich extradick an, denn nun geht es mit einem Kutter in den Eisfjord hinein. Diesmal bin ich auch wieder mit meiner eigenen Kamera bewaffnet. Bei der Mitternachtsfahrt, so hat Elke Meissner uns versprochen, werden wir bestimmt auch Wale sehen. Dick eingemummelt fahren wir mit zwei Booten los. Das Wetter ist weiterhin gut und obwohl wir erst halb zehn ablegen, ist es die gesamte Fahrt über taghell. Trotz ruhiger See dauert es eine Weile, bis wir zum Eingang des Fjordes kommen. Es ist faszinierend, den Eisbergen nun so nah zu sein und wir alle sind wie hypnotisiert von der Schönheit der Arktis.
|
Auch deshalb sollte man nicht zu dicht an den Eisbergen vorbei fahren. |
|
Dieser sieht ein bisschen aus wie ein Softeis. ;) |
Bald hält das Boot und die Mannschaft fischt einen der ganz kleinen Eisberge aus dem klaren Wasser, nur um ihn dann in kleine Stücke zu schlagen. Schon bald wissen wir warum: Elke lädt uns alle zu einem Wiskey on the rocks ein. Ich bin fasziniert von den kleinen Blasen, die das Eis in meinem Glas absondert - Elke erklärt uns, dass das von den Lufteinschlüssen im Eis kommt und das wir in unserem Drink gerade uraltes Inlandeis haben. Weiter berichtet sie, dass das Eis so sauber ist, dass viele der Bewohner rund um den Fjord ihr Trinkwasser genau so bekommen wie wir gerade: Sie fischen kleine Eisberge aus dem Meer und schmelzen sie, wenn sie sauberes Wasser brauchen. Auch unsere Eiswürfel sind glasklar. Obwohl ich eigentlich kein besonderer Wiskeyfan bin, nippe ich nach und nach mein Glas leer und freue mich sehr über mein exklusives Getränk.
|
Prost! oder, wie man hier sagt: Kasugta! |
|
Mit einer solchen Aussicht schmeckt es gleich nochmal so gut. |
Wir fahren nun weiter in den Fjord hinein und nach einer Weile geht ein Raunen durch das Boot: Vor uns sind Buckelwale! Ich bin ganz aufgeregt und setze mich, zusammen mit den meisten anderen, vorne auf den Bug des Schiffes, um besser sehen zu können. Und wirklich: Insgesamt sind es drei Tiere. Eines von Ihnen ist noch nicht ausgewachsen. Wir alle sind ergriffen von dem einmaligen Anblick und beobachten, wie die Wale im klaren Wasser vor uns dahin gleiten. Wir fahren langsam hinter ihnen her und bald schwimmt das kleinste Tier dicht unter unserem Boot entlang. So kann ich es in seiner ganzen Länge bestaunen. Überwältigend!
Als die Tiere weg schwimmen, folgen wir ihnen weiter. Mittlerweile sind schon drei Boote hinter ihnen her. Auch wenn ich selbst die Situation genieße und den Walen gerne noch länger zusehen würde, komme ich nicht umhin, mich zu fragen, ob der Tourismus nicht einen großen Stressfaktor für die Buckelwale in dieser Region darstellt. Trotz aller Freude bin ich deshalb ein bisschen froh, als wir abdrehen und die Tiere wieder in Ruhe lassen.
|
Erwischt! :) |
Auf der Rückfahrt sind wir alle noch ganz beeindruckt von dem Gesehenen. Aufgeregt plappern wir über unser tolles Erlebnis und spähen auf den Fjord, damit uns etwaige weitere Wale oder Robben nicht entgehen. Als wir uns ein wenig beruhigt haben, beginnt einer aus der Gruppe, wieder kleine Stückchen aus unserem kleinen Eisberg an Bord zu schlagen. Er mixt Mojitos. Dafür hat er extra in Nuuk einen Topf Minze gekauft - zu einem horrenden Preis. Aber das war es definitiv wert: Nie hat ein Cocktail so gut geschmeckt wie hier in dieser wunderbaren Umgebung nach all den tollen Erlebnissen dieses Tages.